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Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB)

StrafrechtStrafrecht BTNichtvermögensdelikte

Prüfungsschema zu § 231 StGB: Täter beteiligt sich vorsätzlich an einer Schlägerei oder einem von mehreren verübten Angriff, bei der ein Mensch zu Tode kommt oder eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 226 StGB erleidet.

Beim Tod eines Menschen / der schweren Körperverletzung handelt es sich um eine objektive Bedingung der Strafbarkeit, die nicht von Vorsatz erfasst sein muss.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Tatbestand
  3. Objektiver Tatbestand
  4. Schlägerei / von mehreren verübter Angriff
  5. Beteiligung
  6. Keine fehlende Vorwerfbarkeit der Beteiligung
  7. Subjektiver Tatbestand
  8. Objektive Bedingung der Strafbarkeit / Tatbestandsannex: Schwere Folge
  9. Tod / schwere KV (§ 226 StGB)
  10. Kausalität / tatspezifischer Gefahrzusammenhang
  11. Rechtswidrigkeit und Schuld

 

  • Rechtsgut
    Leben / Gesundheit des Opfers
  • Deliktart
    Abstraktes Gefährdungsdelikt; trägt (durch die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit ohne Erforderlichkeit des Vorsatzes) den Aufklärungsschwierigkeiten bezüglich einzelner Tatbeiträge und der gemeinsamen Verantwortung aller Beteiligten für die schwere Folge Rechnung

 

Tatbestand

Objektiver Tatbestand

Schlägerei / von mehreren verübter Angriff

Schlägerei = Tätlicher Streit zwischen mindestens 3 Personen

Tätlich = Unter Zuführung gegenseitiger Körperverletzungen

  • Nicht mitgezählt wird, wer reine Schutzwehr übt.
    Beispiel: Arme oder einen Gegenstand schützend vor sich halten, um Angriffe abzuwehren

  • Auch durch Notwehr gedeckte KV ist zunächst als tätlich zu werten (Arg.: erhöht die abstrakte Gefährlichkeit und schaukelt Situation weiter auf); aber dann ggf. keine Vorwerfbarkeit beim gerechtfertigten Täters (s.u.)

Von mehreren verübter Angriff = Feindselige, unmittelbar auf den Körper des Opfers abzielende Einwirkung durch mind. 2 Personen

  • Erforderlich: Gewisse Einheitlichkeit der Angriffe, des Angriffsgegenstandes und des Angriffswillens
  • Nicht erforderlich: Mittäterschaft i.S.d. § 25 II StGB; also z.B. kein gemeinsamer Tatentschluss
  • Nicht erforderlich: Körperverletzungen (Arg.: Abgrenzung zum Wortlaut der Alt. 1 „Schlägerei“)
    Beispiel: Dichtes Verfolgen des Opfers durch Täter mit erhobener Faust; nicht: Bloßes Bedrohen – etwa durch Warnschüsse in die Luft (zielen nicht auf den Körper des Opfers ab)

 

Beteiligung

„Beteiligung“ ist nicht technisch i.S.v. Täterschaft oder Teilnahme zu verstehen.

Beteiligung = Anwesenheit am Tatort und physische oder aktiv psychische Anteilnahme

  • Beispiele: Mitprügeln, Festhalten des Opfers, Anfeuern der Täter, Abhalten von Helfenden
  • Nicht beteiligt ist, wer nur zuschaut oder versucht zu schlichten

 

Keine fehlende Vorwerfbarkeit der Beteiligung

Ausweislich Abs. 2 ist nicht strafbar, „wer an der Schlägerei oder dem Angriff beteiligt war, ohne daß ihm dies vorzuwerfen ist.“ Die Vorwerfbarkeit richtet sich nach ganz h.M. nach dem Vorliegen von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen. Umstritten ist, wo diese geprüft werden.

Wo werden im Rahmen des § 231 StGB die Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe geprüft?

  • h.M.: Im Tatbestand
    Dies bedeutet, dass im Rahmen des § 231 ausnahmsweise bereits der Tatbestand entfällt, wenn Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe einschlägig sind.
    (pro) Wortlaut/Systematik: Abs. 2 erhebt das Nicht-Vorliegen von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen zur Tatbestandsvoraussetzung. Abs. 2 hätte sonst keine eigenständige Funktion, da die Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe nach dem Tatbestand ohnehin stets geprüft werden.

  • a.A.: Im Anschluss an den Tatbestand in der Rechtswidrigkeit / Schuld
    (pro) Es handelt sich lediglich um einen deklaratorischen Hinweis auf die (separate) Prüfung der Rechtswidrigkeit / Schuld, die allerdings gerade bei Schlägereien regelmäßig komplexe Fragen aufwirft (etwa Notwehrprovokation u. dergl.)

  • Rechtfertigung nach h.M. hier insb. bei Handeln auf Befehl (etwa Polizisten, die mit Schlagstöcken in Angreifer gehen) 
  • Rechtfertigung nach h.M. hier nicht durch Einwilligung (z.B. Verabredung zur Schlägerei), da das Rechtsgut nicht disponibel ist bzw. die Einwilligung gegen die guten Sitten verstoßen würde (§ 228 StGB)

 

 

Subjektiver Tatbestand

  • Vorsatz bezüglich der Beteiligung an einer Schlägerei / dem von mehreren verübten Angriff
    In jedem Fall ist bedingter Vorsatz / Eventualvorsatz (lat. dolus eventualis) bzgl. der Beteiligung an einer Schlägerei / dem von mehreren verübten Angriff erforderlich.

  • Kein subjektives Element bzgl. Tod / schwerer Körperverletzung erforderlich (str.)

 

Ist i.R.d. § 231 StGB neben dem Vorsatz bezüglich der Beteiligung an einer Schlägerei / dem von mehreren verübten Angriff auch ein subjektives Element bezüglich des Todes / der schweren KV erforderlich?

  • h.M.: (-) Nein, kein Vorsatz und auch keine Fahrlässigkeit bzgl. schwerer Folge erforderlich
    (pro) Systematik: Es handelt sich um eine objektive Bedingung der Strafbarkeit, da die Voraussetzung im Wortlaut erst nach dem (grds. Vorsatz erfordernden) Tatbestand, unterbrochen durch die Rechtsfolgen, genannt wird.

  • a.A.: (+) Ja, zumindest Vorhersehbarkeit der schweren Folge als Element der Fahrlässigkeit erforderlich
    (pro) Systematik: analoge Anwendung v. § 18 StGB, da der Wortlaut - wie bei Erfolgsqualifikationen auch - von „verursacht“ spricht.
    (con) Historie: Wille des Gesetzgebers zur rein objektiven Bedingung der Strafbarkeit durch Nennung nach Strafmaß.

 

 

Objektive Bedingung der Strafbarkeit / Tatbestandsannex: Schwere Folge

Die schwere Folge ist objektive Bedingung der Strafbarkeit, d.h. sie muss nicht vom Vorsatz oder der Fahrlässigkeit des Täters umfasst sein. Im Wortlaut lässt sich dies durch die Nennung nach dem Strafmaß erkennen.

Tod / schwere KV (§ 226 StGB)

Eintritt einer schweren KV (i.S.d. § 226 StGB) oder des Todes einer Person (auch z.B.: Zuschauer, Helfer, Polizei)

Ist der Täter strafbar, wenn die schwere Folge bei ihm selbst eintritt?

  • e.A.: (-) Absehen von Strafe (§ 60 StGB)
    (pro) Systematik: Generelle Straflosigkeit der Selbstschädigung

  • a.A.: (+) Strafbarkeit des Täters
    (pro) Telos: Auch dann ist die schwere Folge ein Indiz für die strafbegründende Gefährlichkeit des Gesamtgeschehens

Zeitpunkt - Muss der Täter bei Eintritt der Folge schon / noch beteiligt sein?

  • h.M.: (-) Zeitpunkt ist irrelevant
    Also auch Strafbarkeit, wenn die schwere Folge vor oder nach Beteiligung des Täters eintritt.
    (con) Systematik: Schuldprinzip / Verantwortungsprinzip; Wortlaut („durch“) erfordert nach e.A. Kausalzusammenhang zw. Beitrag und schwerer Folge (s.u.), der nach Austritt des Täters nicht mehr besteht.

  • e.A.: (+) Ja, der Täter muss schon / noch beteiligt sein
    Also keine Strafbarkeit, wenn der Täter seine Beteiligung vor Eintritt der schweren Folge aufgibt.
    (con) Beweisschwierigkeiten 
    (con) Fortwirken der durch Beteiligung des Täters erhöhten Gefährlichkeit

 

Kausalität / tatspezifischer Gefahrzusammenhang

Die schwere Folge muss „durch die Schlägerei oder den Angriff (…) verursacht worden“ sein.

Welcher Verursachungszusammenhang muss zwischen der Schlägerei / dem Angriff und der schweren Folge bestehen?

Beispiel 1: Das Opfer eines von mehreren verübten Angriffs in Form einer Verfolgung stirbt beim Überqueren einer Straße.

Beispiel 2: Bei einer Schlägerei stehenbleibende Zuschauer, starten aus einem anderen Grund eine neue Schlägerei, bei der eine Person stirbt.

 

  • e.A.: Lediglich Kausalität (Äquivalenztheorie) zwischen der Schlägerei / dem Angriff allgemein und der schweren Folge erforderlich
    → Geringste Anforderung: (+) Beispiel 1 und (+) Beispiel 2

    (con) Erfassung auch gänzlich entfernter schwerer Folgen ohne engen Zusammenhang zum Tatgeschehen wie z.B. stehenbleibende Zuschauer, die aus anderem Grund eine neue Schlägerei starten, bei der eine Person stirbt.

 

  • h.M.: Tatspezifischer Gefahrzusammenhang = Realisierung der in der Schlägerei / dem Angriff angelegten Gefahr in der schweren Folge erforderlich 
    → Mittlere Anforderung: (+) Beispiel 1; (-) Beispiel 2

 

  • a.A.: Kausalität (Äquivalenztheorie) zwischen der konkreten Beteiligung des Täters und der schweren Folge erforderlich 

    → Strengste Anforderung: (-) Beispiel 1; (-) Beispiel 2

    (con) Historie und Wortlaut: Klarer gesetzgeberischer Wille der Ausgestaltung als abstraktes Gefährdungsdelikt

 

 

Rechtswidrigkeit und Schuld

Nach h.M. werden Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe wg. Abs. 2 (s.o. „Nichtvorwerfbarkeit der Beteiligung“) bereits im Tatbestand geprüft. Siehe zusammenfassend hierzu die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.

 

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